Wie Orlanth das Loch im Dach flickte

von Bruce Ferrie

Nachdem Orlanth und Ernalda geheiratet hatten, brachte er seiner Frau viele Geschenke, so wie es alle jungen Ehemänner tun. Er schenkte ihr den Grünen Korb des Überflusses, der stets aller Gäste Hunger stillte, gleich wie viele auch kamen. Er schenkte ihr den Kinderkessel, der jedem, der es mit einem angemessenen Opfer bedachte, viele Nachkommen bescherte. Und er schenkte ihr den Webstuhl aus Gold und Silber. Ernalda war sehr glücklich über diese Geschenke und sie erwiderte Orlanths Liebe indem sie seine vielen Wunden versorgte, wenn er nach einer Schlacht heimkam. Sie buk ihm Haferkekse gesüßt mit Honig, und insbesondere erwiderte sie seine Liebe, wenn sie mit ihm als seine Ehefrau im Bette lag. Orlanth und Ernalda waren verliebt und sie waren glücklich.

Doch eines Tages, als Orlanth gerade fort war, um seine zahlreichen Feinde zu bekämpfen, fand Ernalda ein stinkendes Bündel Lumpen und Stroh bei der Feuerstelle. Als sie es aufhob, um es hinaus zu werden, bemerkte sie, dass es Eurmal war. Ernalda schalt ihn und verlangte zu wissen, was die Unordnung bedeutete und was das ganze Stroh vor dem Kamin solle.

„Ich versuche es nur ein wenig warm zu haben.“, jammerte er. „Ich würde nicht so dicht beim Feuer sitzen müssen, wenn nur jemand das Loch im Dach flicken würde.“

Ernalda runzelte die Stirn und fragte: „Das Loch im Dach?“

Eurmal kauerte weiterhin auf dem Boden und deutete nach oben, gewiss, dass dort ein großes Loch ins Reet gerissen war. Ernalda seufzte und warf Eurmal hinaus in den Dreck.

Ernalda war das Loch zuvor nicht aufgefallen. Zur Zeit war es noch nicht sehr kalt, so dass sie wartete bis ihr junger Ehemann sie wieder wärmen würde. Aber sie wusste auch, dass das Loch geflickt werden musste, damit es nicht hineinregnete.

Nach einiger Zeit kam Orlanth heim von seinem Kampf. Ernalda sagte nichts über das Loch im Dach, als sie seine Wunden verband. Sie sagte nichts als sie ihm die mit Honig gesüßten Haferkekse reichte.

Doch bevor sie sich ins Bett legten, sprach sie zu ihm: „Gatte, ich bin sehr zufrieden mit den Geschenken, die Du mir bringst. Der Grüne Korb des Überflusses garantiert, dass wir immer genügend zu Essen haben, um unsere Familie und Gäste zu sättigen. Der Kinderkessel sorgt dafür, dass immer viele Kinder auf unserem Hofe leben. Der Webstuhl aus Gold und Silber versorgt unsere Leute stets mit den schönsten Kleidern. Doch es gibt da ein anderes Geschenk, das ich gerne von Dir hätte. Wirst Du das Loch im Dach flicken?“

Wie jeder Mann im Schlafgemach, so versprach auch Orlanth seiner Frau alles, was sie begehrte. „Meine geliebte Grüne Gattin, ich werde das Loch im Dach flicken.“ Und Orlanth und Ernalda waren verliebt, und sie waren glücklich.

Am nächsten Morgen ging Orlanth hinaus, um das Loch im Dach zu flicken. Da traf er Yinkin, der vorschlug, sie sollten auf die Jagd gehen. Orlanth dachte, dies sei eine gute Idee. Sie verbrachten den ganzen Tag auf der Pirsch und kamen Abends mit einem riesigen Bären zurück. Ernalda war jedoch nicht zufrieden und im Schlafgemach wandte sie sich ab von Orlanth, da er nichts unternommen hatte, um das Loch im Dach zu flicken.

Orlanth sagte: „Aber ich werde Dir aus dem Fell des Bären einen schönen Mantel fertigen, der Dich warm halten wird.“

„Das ist sehr schön“, entgegnete Ernalda, „aber wirst Du das Loch im Dach flicken?“

Am nächsten Morgen ging Orlanth davon und fragte Yinkin, ob er ihm behilflich sein könne das Loch im Dach zu flicken. „Yinkin erklärte sich bereit sich auf das Loch zu legen, damit es nicht hineinregnete. Das war gut und Ernalda war glücklich. Doch als Elmal hinter Heler zurücktrat und es kein warmes Sonnenlicht mehr gab, um ihn zu wärmen, stand Yinkin auf und ging fort – und das Loch war zurück.

Ernalda war nicht glücklich, aber erneut versprach Orlanth ihr: „Geliebte Grüne Gattin, ich werde das Loch im Dach flicken.“

Am nächsten Morgen ging Orlanth hinaus, um das Loch im Dach zu flicken. Dort traf er Elmal, der vorschlug die Fyrd an den Waffen zu trainieren. Orlanth dachte, dies sei eine gute Idee und griff nach Schild und Schwert und verbrachte den ganzen Tag mit Elmal, um die Fyrd zu trainieren. Des Nachts war Ernalda nicht glücklich und wandte sich von Orlanth ab, da er nicht das Loch im Dach geflickt hatte.

„Aber unsere Fyrdmänner werden unsere Feinde davonjagen und unsere Familie vor Übel schützen.“, sagte Orlanth.

„Das ist gut“, sagte Ernalda, „doch wirst Du das Loch im Dach flicken?“

Am nächsten Morgen ging Orlanth hinaus und fragte Elmal, ob er ihm behilflich sein könne das Loch im Dach zu flicken. Elmal erklärte sich bereit seinen leuchtenden Schild über das Loch zu halten, damit es nicht hineinregnete. Das war gut und Ernalda war glücklich. Doch als die Nacht hereinbrach, musste Elmal gehen – und das Loch war zurück.

Ernalda war nicht glücklich, aber erneut versprach Orlanth ihr: „Geliebte Grüne Gattin, ich werde das Loch im Dach flicken.“ Am nächsten Morgen ging Orlanth hinaus, um das Loch im Dach zu flicken. Dort traf er Urox, der vorschlug auf die Suche nach Chaos zu gehen und es zu zerstören. Orlanth dachte, dies sei eine gute Idee und nahm seine Rüstung und seine Waffen und sie töteten den ganzen Tag Feinde. Des Nachts war Ernalda nicht glücklich und wandte sich von Orlanth ab, da er nicht das Loch im Dach geflickt hatte.

„Aber ich habe Chaos zerstört und viele Taten zu Deiner Ehre vollbracht.“, sagte Orlanth.

„Das ist gut“, sagte Ernalda, „doch wirst Du das Loch im Dach flicken?“

So ging Orlanth hinaus und fragte Urox, er ob er ihm behilflich sein könne das Loch im Dach zu flicken. Urox erklärte sich bereit sein großes Bullenfell über das Loch auszubreiten, damit es nicht hineinregnete. Doch mit dem Wind roch Urox das Chaos und rannte fort, um es zu bekämpfen – und das Loch war zurück.

Ernalda war nicht glücklich. Sie war sogar ausgesprochen wütend und wollte nicht länger auf Orlanths Versprechungen hören. „Alles, was Du kannst, ist prahlen. Es steckt nichts dahinter!“, schrie sie. „Du hattest noch nicht einmal bemerkt, dass das Dach ein Loch hat. Da musste erst Eurmal kommen und es zeigen. Alles, was Dich interessiert, ist jagen, kämpfen und plündern.“

Orlanth lag die ganze Nacht über wach. Jetzt wusste er, wer für das Loch im Dach verantwortlich war. „Als ob es da irgendeinen Zweifel gäbe.“, dachte er bei sich. Am nächsten Morgen erhielt er die Hilfe von Yinkin, der mit seinen scharfen Augen Eurmals Spur aufnehmen konnte, denn dieser hatte sich in einem dunklen Loch versteckt. Er erhielt die Hilfe von Elmal, dessen leuchtender Schild das dunkle Loch erhellte, so dass er hineinsehen konnte. Und er erhielt die Hilfe von Urox, mit dessen gewaltiger Stärke er Eurmal aus dem Loch zog und auf das Dach setzte.

Orlanth nahm darauf seine Speere und stach Eurmal genau über dem Loch auf dem Dach fest, so dass es nicht hineinregnen konnte. Weil er fest gestochen war, konnte Eurmal nicht wie Yinkin davon gehen, wenn Elmal hinter Heler zurücktrat und es kein Sonnenlicht mehr gab, um sich darin zu wärmen. Eurmal konnte auch nicht wie Elmal des Nachts davon gehen. Und er konnte nicht wie Urox das Chaos mit dem Winde spüren und hinter rennen, um es zu bekämpfen.

Drunten in der Halle war es jedem trocken und warm. Ernalda wandte sich im Schlafgemach nicht länger von Orlanth ab. Orlanth und Ernalda waren verliebt und sie waren glücklich.

Der einzige, der nicht glücklich war, war Eurmal. Er musste den ganzen Winter in Kälte und Regen auf dem Dach verbringen.


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